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Missverständnisse und Vorurteile in der Psychotherapie



Die Psychotherapie ist ein Feld, das für viele Menschen mit Unsicherheiten und Missverständnissen behaftet ist. Trotz der zunehmenden Offenheit gegenüber psychischen Gesundheitsthemen halten sich bestimmte Vorstellungen hartnäckig, die oft ein verzerrtes Bild von dem vermitteln, was Therapie leisten kann und wie sie funktioniert. Im Folgenden möchte ich einige der häufigsten Missverständnisse eingehen.


Psychotherapie ist nur etwas für "Kranke"

Eines der weitverbreitetsten Vorurteile ist, dass nur Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen eine Therapie aufsuchen sollten. Tatsächlich kann Psychotherapie jedoch auch Menschen helfen, die mit Alltagsbelastungen, Lebenskrisen oder zwischenmenschlichen Konflikten zu kämpfen haben. Die Idee, dass man erst "krank genug" sein muss, bevor man Hilfe sucht, ist nicht nur hinderlich, sondern kann auch dazu führen, dass Probleme sich verschlimmern, bevor sie angegangen werden.


In der Therapie bekomme ich Ratschläge oder Lösungen

Viele Menschen kommen mit der Erwartung in die Therapie, dass die Therapeutin oder der Therapeut ihnen sagen wird, was sie tun sollen, oder ihnen fertige Lösungen präsentiert. Während manche Ansätze konkrete Werkzeuge anbieten, basiert unter anderen auch die personzentrierte Therapie darauf, die Klientin bzw. den Klienten dabei zu unterstützen, eigene Einsichten zu gewinnen und ihre/seine Lösungen zu finden. Meine therapeutische Aufgabe dabei ist es, einen geschützten Raum zu schaffen, in dem Selbstreflexion und Wachstum möglich werden.


Therapie funktioniert wie eine medizinische Behandlung

Es ist ein Missverständnis, dass Therapie immer schnell und linear wirkt, wie vielleicht eine Antibiotikabehandlung. Psychotherapie ist ein Prozess, der Zeit, Geduld und aktive Mitarbeit erfordert. Fortschritte können wellenförmig sein – manchmal spürt man sie sofort, manchmal dauert es eine Weile, bis Veränderungen sichtbar werden.


Alles wird in der Vergangenheit gesucht

Ein weiterer Irrglaube ist die Annahme, dass Psychotherapie immer "nur" die Vergangenheit analysiert. Während frühere Erlebnisse oft eine Rolle spielen, um Muster und Dynamiken zu verstehen, konzentrieren sich viele Therapieansätze darauf, wie aktuelle Probleme bewältigt und Verhaltensänderungen umgesetzt werden können. Auch bei der personzentrierten Therapie geht es darum, im Hier und Jetzt zu arbeiten und das zu nutzen, was im Moment präsent ist. Das Gefühl, das im Jetzt entsteht, ist dabei das Relevante und kann zugleich Bezug zur Vergangenheit haben oder von ihr beeinflusst sein.


Therapie ist nur Gespräch

Obwohl Gespräche ein zentrales Element vieler Therapieformen sind, ist Psychotherapie vielseitiger. Je nach Situation und Bedürfnis der Klientin bzw. des Klienten können unterschiedliche Zugänge oder Impulse genutzt werden, die den therapeutischen Prozess unterstützen, beispielsweise die Arbeit mit kreativen Medien oder Achtsamkeitsübungen. Wichtig ist dabei, dass diese immer in den Gesamtkontext der personzentrierten Arbeit eingebettet sind und der individuellen Entwicklung dienen.


Die Therapeutin "heilt"

Als Therapeutin bin ich nicht diejenige Person, die die Veränderung im Gegenüber bewirkt. Tatsächlich liegt die Kraft zur Heilung immer in der Klientin oder dem Klienten selbst. Als Psychotherapeutin kann ich Prozesse begleiten, Impulse geben und unterstützen, eigene Stärken und Ressourcen zu entdecken und neue Perspektiven zu entwickeln.


Therapie ist ein Zeichen von Schwäche

Viele Menschen zögern, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, weil sie glauben, es sei ein Zeichen von Schwäche. Im Gegenteil - es erfordert Mut und innere Stärke, sich mit seinen Problemen auseinanderzusetzen und Unterstützung zu suchen. Therapie ist kein Zeichen von Versagen, sondern ein Schritt in Richtung Selbstfürsorge und Wachstum.


 

Psychotherapie lebt von der individuellen Begegnung und den einzigartigen Wegen, die dabei entstehen. Missverständnisse über ihre Wirkungsweise können Erwartungen und den Verlauf beeinflussen, doch sie bieten auch eine Chance, gemeinsam Klarheit zu schaffen. Jede therapeutische Reise ist ein Prozess des Lernens, Wachsens und Entdeckens – getragen von Vertrauen, Geduld und der Bereitschaft, sich auf den eigenen Weg einzulassen.

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